Sitzender Greis (Der trunkene Lot?), Rembrandt Harmensz. van Rijn
Rembrandt Harmensz. van Rijn
Sitzender Greis (Der trunkene Lot?)
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Rembrandt Harmensz. van Rijn

Sitzender Greis (Der trunkene Lot?), ca. 1630 – 1633


Blatt
253 x 189 mm
Material und Technik
Schwarzer Stift, weiße Kreide und Rötel (Spuren), mit dem Pinsel übergangen (?), Einfassungslinie mit der Feder in Braun, auf geripptem Büttenpapier
Inventarnummer
857
Objektnummer
857 Z
Erwerbung
Erworben 1816 als Stiftung aus der Sammlung Johann Friedrich Städel
Status
Nicht ausgestellt

Texte

Über das Werk

Die eindrucksvolle Kreidestudie eines sitzenden alten Mannes, die schon der Sammlung von Johann Friedrich Städel angehörte, ist eine der wenigen Zeichnungen, die eine vollständige und eigenhändige Signatur von Rembrandt tragen. Es mag sein, daß er sie im Jahr 1633 anbrachte, weil er dieses Blatt verschenken oder verkaufen wollte, denn das Entstehungsdatum der Zeichnung selbst dürfte früher liegen. Um 1630 zeichnete Rembrandt, zu diesem Zeitpunkt ein aufstrebender junger Maler in seiner Geburtsstadt Leiden, mehrere Studien nach einem bärtigen alten Mann, dessen Erscheinung zu derselben Zeit in Gemälden und Druckgraphiken auftaucht. Das Modell dürfte Rembrandt wegen seines ausdrucksstarken Aussehens gereizt haben, das sich für ehrfurchtgebietende Figuren wie Propheten oder Apostel eignete. Die sehr formlose Sitzhaltung der Zeichnung findet sich in einem nur durch eine Reproduktionsgraphik überlieferten frühen Gemälde Rembrandts wieder, welches den trunkenen Lot mit seinen Töchtern zeigt (Genesis 19). Kurz bevor Gott die sündige Stadt Sodom zerstörte, warnte er Lot, und dieser flüchtete mit seiner Familie. Seine Frau drehte sich neugierig nach dem Inferno um und erstarrte zur Salzsäule. Als Lot mit seinen Töchtern in der Einöde alleine war, fürchteten diese, sie würden keine Ehemänner mehr bekommen können. Sie machten ihren Vater betrunken, und in besinnungslosem Zustand zeugte er mit ihnen Kinder.

Die Zeichnung ist mit großer Wahrscheinlichkeit als Studie zu diesem Gemälde entstanden. Rembrandt hat die in einen langen Mantel, Hose und Wams gekleidete Gestalt mit energischen Kreidestrichen angelegt, welche den Lichteinfall, die Materialität der Kleidung und die physische Präsenz des Sitzenden angeben. Diese Wirkung erzeugte er, indem er dunklere, schärfere Linien über hellere, flächig aufgetragene Kreidepassagen legte und beides virtuos ineinander modellierte. Die Haltung der rechten Hand, die eine Trinkschale umklammert, korrigierte er einmal. Ganz anders führte er seinen Stift beim Kopf und auch bei der sensiblen, herabhängenden linken Hand des Greises. Mit großer Zurückhaltung und Feinheit bildete er das vom Licht modellierte Relief von Schädel und Gesicht mit dem halb trübe, halb bestürzt blickenden rechten Auge. Es scheint, als wollte Rembrandt hier den Augenblick nach dem Ereignis erfassen, in dem Lot zu sich kommt und sich langsam bewußt macht, was geschehen ist.

Über die Erwerbung

Im März 1815 vermachte der Frankfurter Kaufmann und Bankier Johann Friedrich Städel sein gesamtes Vermögen und seine Kunstsammlung der nach ihm zu benennenden Stiftung „Städelsches Kunstinstitut“. Den Bürgern der Stadt widmete er seine Stiftung jedoch ideell: Es möge die Frankfurter Bürgerschaft „zieren und ihr nützlich werden“. Auf diese Weise begründete er als erste Bürger im deutschsprachigen Raum ein öffentliches Kunstmuseum – unser heutiges Städel Museum. Seine Sammlung umfasste bei seinem Tod 476 Gemälde, rund 4.600 Zeichnungen, knapp 10.000 Druckgrafiken und wertvolle Bücher.

Werkdaten

Basisdaten

Titel
Sitzender Greis (Der trunkene Lot?)
Zeichner
Entstehungsort
Entstehungszeit
Stilrichtung
Objektart
Material und Technik
Schwarzer Stift, weiße Kreide und Rötel (Spuren), mit dem Pinsel übergangen (?), Einfassungslinie mit der Feder in Braun, auf geripptem Büttenpapier
Material
Technik
Geografische Einordnung
Entstehungsgrund
Beschriftung zum Zeitpunkt der Entstehung
Signiert und datiert unten rechts (mit schwarzer Kreide): Rembrandt f. / 1633
Nachträgliche Beschriftung
Verso bezeichnet in der unteren Blatthälfte (mit Bleistift): No. 14 Van Rembrandt / -7-10
Verso bezeichnet mit Notizen des Cornelis Ploos van Amstel, Amsterdam (mit der Feder in Braun, Lugt 3002, 3003, 3004): h.[oog] 9/3/4 b.[reed] 7/1/2 / Rembrandt van Rijn f 1633 /geboren bij Leyden 1606 / gestorven Amsterdam 1674 / Discipel / van P. Lastman / en J. Pynas; unten rechts Stempel des Städelschen Kunstinstituts, Frankfurt am Main (Lugt 2356), mit zugehöriger Inventarnummer
Wasserzeichen
  • Nicht vorhanden
Werkverzeichnis
  • Benesch I.26.82
  • Royalton-Kisch (2012 ff.) 82

Eigentum und Erwerbung

Institution
Abteilung
Sammlung
Creditline
Städel Museum, Frankfurt am Main
Bildrechte
Public Domain
Erwerbung
Erworben 1816 als Stiftung aus der Sammlung Johann Friedrich Städel

Werkinhalt

Motive und Bezüge

Motivgattung
Motiv
Assoziierte Personen und Institutionen
Assoziierte Quelle
  • Bibel, Altes Testament, Genesis 19,33-35

Iconclass

Primär
  • 31B52 Rausch, (Be-)Trunkenheit
  • 31D16 alter Mann
  • 31A2351 auf der Erde (dem Boden) sitzen
Sekundär
  • 41D212 Jacke, Mantel, Umhang, Cape
Assoziativ
  • 71C1252 Lots Töchter machen ihren Vater betrunken

Forschung und Diskussion

Provenienz

Objektgeschichte
Cornelis Ploos van Amstel (1726–1798), Amsterdam
Verst. durch Philippus van der Schley, Amsterdam, 3. März 1800
Johann Friedrich Städel (1728–1816), Frankfurt am Main
Nachlass Johann Friedrich Städel, 1816.

Informationen

Seit 2001 erforscht das Städel Museum systematisch die Herkunft aller Objekte, die während der NS-Zeit erworben wurden bzw. in diesem Zeitraum den Besitzer wechselten oder gewechselt haben könnten. Grundlage für diese Forschung bildet die 1998 auf der „Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust“ in Washington formulierte „Washingtoner Erklärung“ sowie die daran anschließende „Gemeinsame Erklärung“ von 1999.

Die Provenienzangaben basieren auf den zum Zeitpunkt ihrer digitalen Veröffentlichung ausgeforschten Quellen. Sie können sich jedoch durch neue Quellenfunde ändern. Daher wird die Provenienzforschung kontinuierlich durchgeführt und in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Die Provenienzangabe eines Objekts dokumentiert im Idealfall dessen Herkunft vom Zeitpunkt seiner Entstehung bis zu seinem Eingang in die Sammlung. Sie enthält – sofern bekannt – die folgenden Informationen:

  • Art der Erwerbung bzw. Art des Besitzerwechsels
  • Name und Wohnort des Besitzers
  • Datum des Besitzerwechsels

Die aufeinanderfolgenden Besitzvorgänge werden jeweils durch einen Absatz voneinander getrennt.

Lücken in der Überlieferung einer Provenienz werden durch den Platzhalter „ …“ dargestellt. Ungesicherte Informationen sind in eckige Klammern gesetzt.

Bei Fragen und Anregungen wenden Sie sich bitte an .

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Letzte Aktualisierung

25.03.2024