Das Martyrium, Max Beckmann
Max Beckmann
Das Martyrium
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Max Beckmann

Das Martyrium, 1919

Blatt 3 aus der Folge „Die Hölle“


Blatt
620 x 863 mm
Darstellung
545 x 750 mm
Material und Technik
Kreidelithografie (Umdruck) auf Japanpapier
Inventarnummer
SG 3067
Objektnummer
SG 3067 D
Erwerbung
Erworben 1949 aus der Sammlung Ugi und Fridel Battenberg
Status
Kann im Studiensaal der Graphischen Sammlung vorgelegt werden (besondere Öffnungszeiten)

Texte

Über das Werk

Über Zeichnung, Radierung und Lithografie fand Beckmann in den Frankfurter Jahren zu seiner einprägsamen Formensprache: Kantige, reduzierte Formen bestimmen nun das Bildgefüge. Der Raum wird gleichsam kubistisch aufgebrochen und perspektivische Verzerrungen und verfremdete Maßverhältnisse erzeugen Instabilität und Dynamik. In etwa fünfzehn Jahren entstand ein reiches druckgrafisches Œuvre von außergewöhnlicher Intensität. Der lithografische Zyklus „Die Hölle“ ist darin ein Schlüsselwerk.

In zehn Kompositionen und einem Titelblatt spiegelt „Die Hölle“ Beckmanns Erfahrung der Welt nach dem Ersten Weltkrieg. Deutschland war von Inflation und wirtschaftlicher Not gebeutelt und bis zur Ausrufung der Weimarer Republik im November 1919 ein Pulverfass. Vielerorts wie in Frankfurt oder Berlin, das Beckmann im März 1919 besuchte, herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände. Sie gaben den Anstoß für Beckmanns „Hölle“.

Schonungslos, und doch ohne moralische Anklage, beschreibt Beckmann eine zutiefst traumatisierte Gesellschaft. Er zeichnet die Menschen als verroht und verstümmelt, als mord- und vergnügungssüchtig, als desillusioniert, hungrig und ohne Hoffnung. „Die Welt ist eben die Hölle“, hatte schon 1851 der Philosoph Arthur Schopenhauer festgestellt, den Beckmann eifrig gelesen hatte, „und die Menschen sind einerseits die gequälten Seelen und andererseits die Teufel darin.“ (Arthur Schopenhauer, Parerga und Paralipomena. Kleine philosophische Schriften, Bd. 2, Leipzig 1874, S. 322) Beckmanns Hölle kennt wie Schopenhauers kein Entrinnen. Sein Zyklus zeigt menschliches Drama, als „Szene[n] im Theater der Unendlichkeit“ (Max Beckmann, Tagebucheintrag vom 12. September 1940, in: Ders., Tagebücher, 1940–1950, München 1979, S. 310).

Motivische Anspielungen auf die Bühne, auf Rummel oder Zirkus dienten Beckmann gerade in den Frankfurter Jahren immer wieder als Metapher der Welt. Auch „Die Hölle“ beginnt mit einem Selbstbildnis, in dem der Künstler wie ein Jahrmarktschreier zu einem „großen Spektakel“ einlädt. Dann erst folgen die einzelnen Kompositionen: klaustrophobisch verschachtelte Räume und bedrängend nahsichtige Szenen, die der Künstler aus abrupt wechselnden Blickpunkten wiedergibt. Elemente der Wirklichkeit und Visionäres, Symbolhaftes sind untrennbar verwoben.

Beckmann brachte die einzelnen Kompositionen in entschieden repräsentativem Format mit Kreide zu Papier. Im Umdruckverfahren wurden sie dann auf Lithosteine übertragen und bei C. Naumann in Frankfurt gedruckt. Die Herausgabe übernahm der Galerist Jsrael Ber Neumann, mit dem Beckmann seit 1912 bekannt war. Gerade einmal 22-jährig hatte Neumann 1911 in Berlin sein „Graphisches Kabinett“ eröffnet, das sich bald zu einer der einflussreichsten Galerien für den deutschen Expressionismus entwickelte. Als Beckmann ihm im Juni 1919 die Kreidezeichnungen zur „Hölle“ zeigte, kaufte Neumann die Folge spontan an. „Noch nie“, so der Galerist, „hatte ich Kunst von solcher Giftigkeit, solcher Bitternis gesehen“ (Jsrael Ber Neumann, „Sorrow and Champagne“, zit. nach: Ursula Harter und Stephan von Wiese (Hrsg.), Max Beckmann und J. B. Neumann. Der Künstler und sein Händler in Briefen und Dokumenten 1917–1950, Köln 2011, S. 285–317, hier S. 289).

Das Martyrium: Auf dem Bürgersteig vor einem Hoteleingang haben Soldaten mit ihren Gewehren eine Frau bewusstlos geschlagen. Überraschend getreu folgt Beckmann in einzelnen Details den zeitgenössischen Berichten zur Ermordung Rosa Luxemburgs im Januar 1919. Und doch zeigt er die einflussreiche Sozialistin nicht porträthaft, sondern märtyrerhaft überhöht: ihren zerschundenen Leib wie gekreuzigt. Zudem ergänzt er die Akteure um Zivilisten. Für die Mordtat, so wird deutlich, war nicht nur das Militär verantwortlich.

Video

  • Städels Beckmann / Beckmanns Städel. Die Jahre in Frankfurt
    Max Beckmann (1884–1950) ist wie kaum ein anderer Künstler mit dem Städel Museum und Frankfurt verbunden. Er verbrachte die längste und wichtigste Zeit seines Lebens in Frankfurt, schuf hier einen Großteil seiner zentralen Werke und entwickelte den für ihn charakteristischen Stil. Das Städel Museum befasst sich seit fast einem Jahrhundert intensiv mit dem Sammeln und der Erforschung seines Œuvres. In dem Film zur Ausstellung „Städels Beckmann / Beckmanns Städel. Die Jahre in Frankfurt“ gehen die Kuratoren der Frage nach wie sich die Sammlung Beckmanns am Städel entwickelte und wie er in Frankfurt zu seinem charakteristischen Stil fand. Mehr Infos zur Ausstellung "Städels Beckmann / Beckmanns Städel. Die Jahre in Frankfurt": https://www.staedelmuseum.de/de/ausstellungen/staedels-beckmann-beckmanns-staedel

Werkdaten

Basisdaten

Titel
Das Martyrium
Blatt 3 aus der Folge „Die Hölle“
Künstler
Drucker
Herausgeber
Teilnummer / insgesamt
4 / 11
Auflage
Probedruck vor der Auflage von 75 Ex.
Entstehungszeit
Objektart
Material und Technik
Kreidelithografie (Umdruck) auf Japanpapier
Material
Technik
Geografische Einordnung
Beschriftung zum Zeitpunkt der Entstehung
Bezeichnet unterhalb der Darstellung mittig (mit Bleistift): "Martyirium [sic]" (Probedruck); gewidmet unterhalb der Darstellung rechts: Beckmann / s. l. Friedel
Nachträgliche Beschriftung
Verso Stempel der Städtischen Galerie, Frankfurt am Main (Lugt 2371c), mit zugehöriger Inventarnummer
Wasserzeichen
  • Nicht vorhanden
Werkverzeichnis
  • Hofmaier 142 A
  • Gallwitz 116
  • Glaser 124
  • Beckmann-Liste 127

Eigentum und Erwerbung

Institution
Abteilung
Sammlung
Creditline
Städel Museum, Frankfurt am Main
Bildrechte
Public Domain
Erwerbung
Erworben 1949 aus der Sammlung Ugi und Fridel Battenberg

Werkinhalt

Motive und Bezüge

Iconclass

Primär
  • 54AA4 Gewalt, Gewalttätigkeit; Ripa: Sforza con Inganno, Violenza
  • 31D15 erwachsene Frau
  • 61BB2(LUXEMBURG, Rosa)1 Rosa Luxemburg - Frau - Porträt einer historischen Person
  • 31D14 erwachsener Mann
  • 31A22 Teile des menschlichen Körpers (das Skelett ausgenommen)
Sekundär
  • 24D Sterne
  • 24B der Mond als Himmelskörper
  • 24B3 abnehmender Mond; in dieser Form: (
  • 45B der Soldat; Soldatenleben
  • 45C1 Waffen
  • 45C16 Schußwaffen
  • 45C16(RIFLE) Schusswaffen: Gewehr
  • 45C21 (militärische) Uniformen
Assoziativ
  • 31E2356 gewaltsamer Tod durch eine Kreuzigung

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Letzte Aktualisierung

25.03.2024