Ein bedeutendes Stillleben, das die Umbrüche der Malerei in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts veranschaulicht! Henri Matisses (1869 – 1954) gewagte Farbgebung machen das großformatige Gemälde zum intensiven Kunsterlebnis: Das leuchtende Blau – losgelöst von der sichtbaren Welt – steht für sich und seine sinnliche Farbwirkung.
Gefächerte Pinselspuren, schwarze Umrandungen und flache, einfache Formen: Was kraftvoll und spontan gemalt zu sein scheint, war von Matisse in zahlreichen Entwürfen akribisch geplant. Der Künstler hat sein Gemälde so komponiert, dass eine ambivalente Gleichzeitigkeit entsteht: Der schattenwerfende Blumentopf und die perspektivische Fluchtlinie links unten erzeugen den Eindruck von Räumlichkeit, Tiefe und Schwerkraft, während der Keramikteller und das gefaltete, verzerrte Blatt im Zentrum das Gefühl des Schwebens und der Aufhebung aller Regeln und Gewohnheiten vermitteln.
Und doch malte Henri Matisse seine eigene Welt: Denn der Künstler liebte Keramik und Blumen. Die Schönheit der Kapuzinerkresse schildert er – bei aller Vereinfachung – samt den hübschen, schildartigen Blättern, den gelben und roten Blüten. Und die senkrechten parallelen Striche im Blau des Bildes verweisen auf die Wandpaneele von Matisses Künstleratelier: 1909 hatte er sich das freistehende Atelier neben seiner Vorstadtvilla in Issy-les-Moulineaux bei Paris bauen lassen – umgeben von einem üppigen Garten.
Dass dieses Werk heute im Städel zu sehen ist, verdanken wir einer bewegten Geschichte – und dem Engagement Frankfurter Bürgerinnen und Bürger: 1917 überließ der Offenbacher Unternehmer und Kunstfreund Robert von Hirsch (1883–1977) der Städtischen Galerie dieses Stillleben. 1937 wurde es als ‚entartet‘ beschlagnahmt. Dank der Unterstützung der Frankfurter Sparkasse AG und des Kuratoriums Kulturelles Frankfurt konnte das Gemälde 1962 für das Städel Museum zurückerworben werden.
Diese Erwerbsgeschichte erzählt mehr als die Wege eines Gemäldes – sie zeigt, wie unverzichtbar bürgerschaftliches Engagement für das Städel Museum ist. Auch heute knüpft großzügige Unterstützung an diese Tradition an und ermöglicht die Präsentation bedeutender Werke. Für diese wertvolle Unterstützung spricht das Museum seinen aufrichtigen Dank aus.
